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Angreifen oder abhauen

Es ist immer das Gleiche. Da steht man an der Kasse im Supermarkt, im Büro zwischen Kollegen oder beim Klönen am Gartenzaun, da kommt so eine spitze Bemerkung und – zack- ist Funkstille. Man ist im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos. Und kaum hat man die Kaufhalle verlassen, steht im Aufzug oder ist wieder in der eigenen Küche, da fällt einem die passende Antwort ein: „Das hättest du sagen sollen.“ Hättest…. aber hast du nicht. Aber warum nicht?

Der Grund ist ganz einfach: Man „macht“ uns an und das werten wir als Angriff – zwar nur verbal, aber es ist dennoch ein Angriff. Das Resultat: Wir haben Stress. Unser Hirn „verkrampft“ sich. Wenn wir aus der Stresssituation heraus kommen, dann „lockert“ sich unser Hirn und wir haben die Antwort parat. Sie war schon da. Sie konnte nur nicht raus….

Geraten wir durch einen mutmaßlichen Angriff unter Stress, blockiert das Gehirn bestimmte Bereiche und stellt auf körperliche Reaktion um. Und dann stehen wir da wie der Urmensch und wissen nicht, ob wir angreifen oder fliehen sollen.

Aber wir hätten ja auf den Bäumen bleiben können, gäbe es keine Möglichkeit aus dieser Zwickmühle zu kommen. Schlagfertigkeit kann man lernen wie eine Fremdsprache oder eine Sportart. Lernen Sie doch Kommunikations-Aikido! Aikido, das ist die japanische Kampfsportart, die vor allem die Kraft des Angreifers nutzt, um sich zu verteidigen.

Schauen Sie Ihrem Angreifer direkt in die Augen.

Wie bei allen Sportarten gibt es beim Kommunikations-Aikido eine „Grundstellung“: Schauen Sie Ihrem „Angreifer“ direkt in die Augen. Machen Sie sich „groß“. Sprechen Sie Ihren „Angreifer“ namentlich an und sprechen Sie mit klarer, deutlicher Stimme.

Die erste Form, den Angriff zu parieren, - der erste „Griff“, um im Bild zu bleiben - heißt „Zeit gewinnen“. Je mehr Zeit wir haben, desto weniger Stress haben wir. Also organisieren wir uns Zeit. Zeit zu überlegen. Denn so entstehen „überlegene Antworten“. Zum Beispiel durch Nachfragen.

An der Kasse im Supermarkt. Der Kunde legt eine Flasche Chardonnay auf das Rollband, einige Delikatessen. Die Verkäuferin meint das kommentieren zu müssen: „Na, Sie haben ja heute Abend was vor, wa?“ Dazu fällt geübten Parierern eine Menge ein. Von „Ja, davon können Sie nur träumen.“ bis „Hätten Sie mich das auch gefragt, wenn ich Toilettenpapier gekauft hätte?“. Aber wir sind ja erst am Anfang. Also: Zeit verschaffen. „Wie kommen Sie darauf?“ und nach einem kurzen Blick auf ihr Namensschild ergänzt der Kunde: „Frau Meier.“ Soll die Dame doch erstmal erklären, warum sie sich um die Zusammensetzung unseres Einkaufs einen Kopf macht.

„Wie kommen Sie darauf?“ ist eine wunderschöne Frage. Mit einem Mal muss unser „Angreifer“ nachdenken, argumentieren und wir haben Zeit. „Können Sie das präzisieren?“ hilft auch. Schon weitergehender ist die Frage: „Verstehe ich Sie richtig, dass…“ Jetzt sind wir selbst gefordert. Das ist der Griff Nummer zwei in unserem Kommunikations-Aikido: Wir sprechen aus, was der „Angreifer“ nur anzudeuten wagt.

„Ich verstehe den Gesamtzusammenhang nicht.“ Die Kollegin blickte ratlos ihren Chef an. „Dazu sind Sie schlicht zu jung“, ist die bräsige Antwort des Vorgesetzten. „Interpretiere ich das richtig, dass Sie meinen, ich sei nicht erfahren genug, um diese Verkaufsstrategie zu verstehen? Wie alt muss man denn sein, Herr Müller, damit sie sich einem erschließt?“

Dieses Beispiel verknüpft unsere beiden ersten „Griffe“, auf der einen Seite konfrontieren wir den Gesprächspartner mit der „Interpretation“ und auf der anderen Seite ist er wieder am Zug und wir haben Zeit, über das weitere Vorgehen nachzudenken.

Das wirft eine Frage auf, die ganz wichtig ist beim Thema Schlagfertigkeit: Wann dürfen wir was? Darf man beim Chef genauso kontern wie im Supermarkt? In der Partnerschaft ebenso wie im Kegelklub?

Kein Mensch hat das Recht, uns zu Opfern zu machen

Der gesunde Menschenverstand ist da der beste Ratgeber. Eine pauschale Antwort kann es nicht geben – weil es immer auf die Situation und die beteiligten Menschen ankommt. Aber eine Regel muss es geben: Kein Mensch hat das Recht, uns zu Opfern zu machen. Ein afrikanisches Sprichwort sagt: Sprich mit freundlichen Worten, aber habe immer einen Knüppel dabei. Was nicht heißen soll, dass wir „draufschlagen“ müssen. Aber dadurch, dass wir Kommunikations-Aikido beherrschen, werden wir schon sicherer. Selbstsicherer.

Ein weiterer Griff: Sehr wirksam ist das „Überraschende Zustimmen“. Erinnern Sie sich an Klaus Wowereit und sein „Und das ist gut so.“? Das ist mittlerweile klassisch. Wowereit hat mit dem Bekenntnis zu seiner Sexualität schon im Vorfeld alle Bemerkungen zunichte gemacht und mit seinem „Und das ist gut so.“ eine Redewendung zum geflügelten Wort gemacht.

„Haben Sie schon wieder abgenommen?“ „Ja, und das ist gut so.“

„Wie Recht Sie haben… “ ist so eine feststehende Redewendung, die wir uns für diesen Kommunikationsgriff merken können oder „Endlich hat es jemand bemerkt.“

Das kategorische „Nein!“ gehört zu unseren weiteren Repliken. Manche Angriffe verdienen weder Humor noch „Leichtigkeit“. Da muss man dem „Angreifer“ deutlich machen, bis hierhin und nicht weiter.

„Ich bekomme die Unterlagen aber pronto. Nicht wieder Zeit vertrödeln.“ „Offensichtlich sind Sie falsch informiert, Sie wollen genaue Informationen. Die bekommen Sie. Aber das braucht seine Zeit. Gras wächst auch nicht schneller, wenn man dran zieht.“

Auf Formulierungen wie „Sie täuschen sich …“ Oder „Sie befinden ich im Irrtum …“ kann man genauso gut zurückgreifen. Bilder und Humor, über sich selbst lachen können, nimmt unseren „Angreifern“ den Wind aus den Segeln.

„Hast Du zugenommen?" „Ja, ich will ´nen Nebenjob bei Greenpeace. Die suchen jemanden, mit dem sie Wale retten üben können."

Klar, keiner wird von heute auf morgen schlagfertig. Aber, wie man sieht, kann man es lernen und üben. Wenn Sie mögen, können wir das gemeinsam tun.